Psychoonkologie bewegt
Die Intervention

Die Intervention

Die zu Verfügung stehenden psychoonkologischen Interventionen reichen von einfachen Entspannungsübungen bis hin zu komplexen Coachings in den Begleittherapien! Wichtig sind Mut und Neugier, mal etwas Neues auszuprobieren. Es liegt jedoch an einem Selbst, wieviel man zulassen möchte!

„Psychoonkologie“ ist nicht nur ein sperriges Wort, sondern viele fragen sich vielleicht, was sich konkret dahinter verbirgt! Psychoonkolog*innen sind (v.a. im stationären Bereich) Menschen mit unterschiedlichen Berufen, wie z.B. Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter, denen gemeinsam ist, dass sie langjährig mit Tumorpatienten arbeiten und die Weiterbildung „Psychoonkologie“ gemacht haben. Im niedergelassenen Bereich sind es v.a. Ärzte und Psychologen, die häufig noch eine Psychotherapie abgeschlossen haben und so eine Begleitung in Form einer Psychotherapie anbieten. Trotz unterschiedlicher Vorbildung und Schwerpunkten soll es immer darum gehen, Sie in der aktuellen Situation bestmöglich zu unterstützen.

Das Screening

Zu einer ersten Einordnung ihrer Symptome und/oder Probleme wird oft ein Fragebogen, ein sog. Screening eingesetzt. Die HAD-Skala fragt z.B. nach Ängsten und Depressivität oder das „Distressthermometer“ danach, wie belastet Sie sich in der letzten Woche gefühlt haben. Dazu gibt es eine „Problemliste“, die eingrenzt, ob die Belastung eher durch z.B. finanzielle Sorgen, körperliche Symptome, spirituelle Probleme oder psychischen Stress bedingt ist und so eher ein Sozialarbeiter, ein Arzt, einen Klinikseelsorger oder ein Psychoonkologe benötigt wird.

Das Erstgespräch

Im Erstgespräch geht es zunächst darum, sich kennenzulernen, Ihnen die Möglichkeit zu geben, Ihre Krankheitsgeschichte erzählen und offene Fragen zur Erkrankung, dem Tumor oder der Therapie stellen zu können. Aus vielen Menschen sprudelt es nur so heraus, da Sie alle in den letzten Wochen und Monaten Unvorstellbares erlebt haben. Bei diesem Erinnern kommt es oft vor, dass man die Situation fast so empfindet, als würde man sie noch einmal erleben. Die Diagnosemitteilung ist dann wieder sehr präsent und oft kommen dann auch die Tränen. Das ist völlig normal und darf sein. Vielen tut es sogar gut, diese Gefühle rauslassen zu können. Wichtig ist, diesen Trauer- und Verlustgedanken Raum zu geben. Wichtig ist dann aber auch, dabei nicht zu bleiben, sondern zu versuchen, konkret wieder handlungsfähig zu werden. Dazu gehört z.B. zu sortieren, was aktuell an Belastung im Vordergrund steht: Ist es die Versorgung des Kindes, die ständigen Gedanken an den Tumor, die einem jede Freude nehmen, die eigene Hilfsbedürftigkeit, die nur schwer auszuhalten ist, die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, nicht mehr Autofahren zu können oder die grundsätzliche Sorge, wie das alles enden wird. Es wird nicht für alles und schon gar nicht sofort Antworten geben. Aber: Wichtig ist, dass Sie versuchen, Ihre Gefühle in Worte zu fassen und so zu versuchen, auszudrücken, was im Moment gerade für Sie persönlich so schwer ist. Denn so unterschiedlich die Menschen sind, so unterschiedlich sind die Probleme und so verschieden wird auch diese schwierige Lebenssituation erlebt. Keine Frage ist dumm oder unangemessen! Deshalb sprechen Sie an, was Ihnen auf dem Herzen liegt. Selbst dann, wenn es vlt. Fragen wie „Ist das normal, dass ich von meiner eigenen Beerdigung geträumt habe?“, „Ist es angemessen, dass ich mich beim Sport mal wieder richtig auspowern will?“ oder auch „Wie stirbt man an einem Hirntumor?“. Auch die Therapeuten können nicht in die Zukunft gucken; aber mit Erfahrung und Einfühlungsvermögen kann manch eine Frage beantwortet werden.

Die Ressourcen

Um Ihnen gut helfen zu können, ist es deshalb einerseits wichtig, dass Sie erzählen, was schwierig ist, aber auch, was Ihnen bis hierher im Leben gut geholfen hat. Diese Kraftquellen auch „Ressourcen“ genannt, können ganz unterschiedlich sein. Bei vielen sind das die Angehörigen oder enge Freunde, die zu ihnen halten und von denen sie Unterstützung bekommen, es kann aber auch der Glaube sein, der durch manche Krise getragen hat, das Haustier, dessen Nähe und Ruhe guttut oder der Sport, wo man sich den Stress von der Seele laufen kann. Sie sind der Experte für sich selbst! Und gemeinsam versuchen wir, diese Kraftquellen (wieder) zu finden, damit sie sie in dieser schwierigen Situation für sich nutzen können.

Die Psychoedukation

Meines Erachtens gehört ganz an den Anfang ein gutes Verständnis der Erkrankung („Psychoedukation“), so dass ich sehr häufig mit den Patienten und Angehörigen die MRT-Bilder anschaue, damit man diese seltene und von außen nicht sichtbare Erkrankung besser verstehen lernt. Bei der Diagnosemitteilung sind die Meisten viel zu aufgeregt, um all die Informationen zu behalten oder einordnen zu können, die man bekommt. Mit etwas Abstand und in Ruhe gibt es so nochmal Gelegenheit, sich mit den Bildern, aber auch dem Tumor, dem Wachstum oder der Prognose auseinanderzusetzen. Vlt. gibt es auch noch Fragen zur Nachbehandlung, die beantwortet werden können und so etwas von der großen Unsicherheit nehmen können, die auf dieser neuen Lebenssituation liegt.

Intervention – Entspannungsübungen

Zu typischen Interventionen in der Psychoonkologie gehören z.B. „Entspannungsübungen“. Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung oder Yoga sind weit verbreitet und sollen helfen, in eine möglichst tiefe Entspannung und so zur Ruhe zu kommen und dadurch Kraft zu tanken. Auch Phantasiereisen, die je nach Thema oder Intention vor dem inneren Auge z.B. einen sog. „sicheren Ort“ entstehen lassen oder helfen, „Gepäck abzulegen“ können sehr hilfreich sein, um die Angst zu lösen oder das Stressniveau zu senken. 

Intervention – Gedankenstopp

Eine weitere sehr hilfreiche Übung, die etwas Übung erfordert, ist die „Gedanken-Stopp“-Übung. Viele kennen das Grübeln. Die Gedanken drehen sich im Kreis, „was ist aber wenn…“ und mit den zunehmend trüben Gedanken wird auch die Stimmung immer schlechter. Dieser Negativ-Spirale sollten sie sich nicht hingeben! Am Ende steht keine kreative Idee, die zu Ihrer Problemlösung beiträgt, sondern das Grübeln wird zu einer Schwarzmalerei, die Ihnen nicht gut tut, in der Regel wenig real mit der aktuellen Situation zusammenhängt und sie nur immer depressiver stimmt. Im Gespräch mit dem Psychoonkologen kann erarbeitet werden, was sie diesen trüben Gedanken entgegensetzen können. Dies kann z.B. ein Foto vom letzten Urlaub, ein Stopp-Schild, eine Handbewegung, in die Natur gehen o.ä. sein. Jede Ablenkung ist besser, als immer wieder diese Gedanken zu denken.

Intervention – Grübelstuhl

Eine sehr effektive aber lästige Übung ist der „Grübelstuhl“. Viele kennen das: Ausgerechnet, wenn man schlafen gehen will oder sich hingelegt hat, kommen die negativen Gedanken an den Tumor und wie schlimm das alles ausgehen kann, wieder. Nachts, wenn alles ruhig ist und die äußere Ablenkung fehlt, können diese Gedanken übermächtig werden. Da Sie aber nachts schlafen sollen, damit sie tagsüber fit für die Therapie und das Leben sind, brauchen Sie einen möglichst ungestörten Nachtschlaf.  Kommen also wieder trübe Gedanken, müssen Sie bei dieser Übung aufstehen und sich auf einen möglichst unbequemen Stuhl setzen. Nur hier erlauben Sie sich das Grübeln und Nachdenken über den Tumor. Müde und frierend wird das Denken an den Tumor immer ungemütlicher und so ad absurdum gebracht. Sie legen sich also wieder hin und  versuchen an etwas Schönes/Neutrales zu denken, nehmen sich ein Hörbuch o.ä. Kommen die trüben Gedanken wieder, müssen Sie wieder raus aus dem Bett und sich auf den „Grübelstuhl“ setzen, bis sie es schaffen, wieder an etwas anderes denken, wieder zurück ins Bett gehen und erneut versuchen, einzuschlafen. So geht es immer weiter. Je konsequenter Sie die Übung durchhalten – zugegebener Weise mit einigen anstrengenden ersten Nächsten… – desto schneller koppelt Ihr Gehirn die Gedanken an den Tumor von Ihrem Bett bzw. Schlaf ab und Sie werden wieder ohne schlechte Gedanken ins Bett gehen und hoffentlich gut schlafen können. 

Ich hoffe, mit dieser kleinen Einführung in einige Aspekte in die Arbeit von Psychoonkolog*innen haben Sie ein bisschen eine Idee bekommen, was Sie neben einem Gut-Zuhörenden z.B. an Impulsen erwarten können. Wobei jeder Therapeut natürlich im Laufe der Zeit und mit zunehmenden Erfahrungen seinen eigenen Stil entwickelt.

Denken Sie daran, um wieder in einen guten Alltag trotz und mit der Erkrankung zu kommen ist es wichtig, Vertrauen in Ihre Behandler zu haben, sich gut aufgehoben zu fühlen, den Spielraum zu nutzen, den Sie haben und so das „Hier-und-Jetzt“ mit Leben zu füllen!


Alles Gute und bleiben Sie behütet!

Ihre

Dorothee Wiewrodt